domingo, 20 de junho de 2010

Weil heute Sonntag ist...



"Auch zu lieben ist gut: denn Liebe ist schwer. Liebhaben von Mensch zu Mensch: das ist vielleicht das Schwerste, was uns aufgegeben ist, das Äußerste, die letzte Probe und Prüfung, die Arbeit, für die alle andere Arbeit nur Vorbereitung ist. Darum können junge Menschen, die Anfänger in allem sind, die Liebe noch nicht: sie müssen sie lernen. Mit dem ganzen Wesen, mit allen Kräften, versammelt um ihr einsames, banges, aufwärts schlagendes Herz müssen sie lieben lernen. Lernzeit aber ist immer eine lange, abgeschlossene Zeit, und so ist Lieben für lange hinaus und weit ins Leben hinein—: Einsamkeit, gesteigertes und vertieftes Alleinsein für den, der liebt. Lieben ist zunächst nichts, was aufgehen, hingeben und sich mit einem Zweiten vereinen heißt (denn was wäre eine Vereinigung von Ungeklärtem und Unfertigem, noch Ungeordnetem - ? es ist ein erhabener Anlaß für den einzelnen, zu reifen, in sich etwas zu werden, Welt zu werden, Welt zu werden für sich um eines anderen willen, es ist ein großer, unbescheidener Anspruch an ihn, etwas, was ihn auserwählt und zu Weitem beruft. Nur in diesem Sinne, als Aufgabe, an sich zu arbeiten (zu horchen und zu hämmern Tag und Nacht) dürften junge Menschen die Liebe, die ihnen gegeben wird, gebrauchen. Das Aufgehen und das Hingeben und alle Art der Gemeinsamkeit ist nicht für sie (die noch lange, lange sparen und sammeln müssen), ist das Endliche, ist vielleicht das, wofür Menschenleben jetzt noch kaum ausreichen."

Rainer Maria Rilke, Briefe an einen jungen Dichter, in http://www.astro-sophia.de/Seiten/PDF/rilke%20briefe.pdf

quinta-feira, 17 de junho de 2010

Und wärest du ein Prinz...



"Der Prinz von Homburg (steht auf und wendet sich zur Prinzessin).

Du armes Mädchen, weinst! Die Sonne leuchtet
Heut alle deine Hoffnungen zu Grab!

Entschieden hat dein erst Gefühl für mich,
Und deine Miene sagt mir, treu wie Gold,
Du wirst dich nimmer einem andern weihn.
Ja, was erschwing ich, Ärmster, das dich tröste?
Geh an den Main, rat ich, ins Stift der Jungfraun,
Zu deiner Base Thurn, such in den Bergen
Dir einen Knaben, blondgelockt wie ich,
Kauf ihn mit Gold und Silber dir, drück ihn
An deine Brust und lehr ihn: Mutter! stammeln,
Und wenn er größer ist, so unterweis ihn,
Wie man den Sterbenden die Augen schließt.
Das ist das ganze Glück, das vor dir liegt!



Natalie (mutig und erhebend, indem sie aufsteht und ihre Hand in die seinige legt).

Geh, junger Held, in deines Kerkers Haft,
Und auf dem Rückweg, schau noch einmal ruhig
Das Grab dir an, das dir geöffnet wird!

Es ist nichts finstrer und um nichts breiter,
Als es dir tausendmal die Schlacht gezeigt!
Inzwischen werd ich, in dem Tod dir treu,
Ein rettend Wort für dich dem Oheim wagen:
Vielleicht gelingt es mir, sein Herz zu rühren,
Und dich von allem Kummer zu befrein!


 (Pause.)



Der Prinz von Homburg (faltet, in ihrem Anschaun verloren, die Hände).

Hättst du zwei Flügel, Jungfrau, an den Schultern,
Für einen Engel wahrlich hielt ich dich!—
O Gott, hört ich auch recht? Du für mich sprechen?
—Wo ruhte denn der Köcher dir der Rede,
Bis heute, liebes Kind, daß du willst wagen,
Den Herrn in solcher Sache anzugehn?—
—O Hoffnungslicht, das plötzlich mich erquickt!



 Natalie.

Gott wird die Pfeile mir, die treffen, reichen!
Doch wenn der Kurfürst des Gesetzes Spruch
Nicht ändern kann, nicht kann: wohlan! so wirst du
Dich tapfer ihm, der Tapfre, unterwerfen:
Und der im Leben tausendmal gesiegt,
Er wird auch noch im Tod zu siegen wissen!"

Heinrich von Kleist, Prinz Friedrich von Homburg, in http://www.gutenberg.org/etext/6723

domingo, 13 de junho de 2010

Aug in Aug, ich bitte dich


"Laβ dein Aug in der Kammer sein eine Kerze,
den Blick einen Docht,
laβ mich blind genug sein,
ihn zu entzünden.

Nein.
Laβ anderes sein.

Tritt vor dein Haus,
schirr deinen scheckigen Traum an,
laβ seine Hufe reden
zum Schnee, den du fortbliest
vom First meiner Seele."

Paul Celan, Sete rosas mais tarde, Lisboa: Edições Cotovia, 1993, s. 42

quarta-feira, 9 de junho de 2010

Meeres Stille


 
"Tiefe Stille herrscht im Wasser,
 Ohne Regung ruht das Meer,
 Und bekümmert sieht der Schiffer
 Glatte Fläche ringsumher.
 Keine Luft von keiner Seite!
 Todestille fürchterlich!
 In der ungeheuren Weite
 Reget keine Welle sich."

J. W. Goethe, Klassische Gedichte und nahezu unbekannte Werke, Geneva: Hardcover Taschenbuch Eurobooks, 1998, s. 82

segunda-feira, 7 de junho de 2010

Nur eine Frage...


      "Was möchtest du lieber sein, schön oder klug?
        Kennen Sie das Gefühl, wenn eine Frage in Ihnen einschlägt? Ich wusste sofort, dass dies die Frage aller Fragen war und dass sie mich in ein unlösbares Dilemma brachte."

Christa Wolf, Juninachmittag, Stuttgart: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1988, s. 51

sexta-feira, 4 de junho de 2010

Gedanken 1


   “Lernen macht nicht vordergründig glücklich. Das war bereits dem Prediger Salomon bekannt, der sagte:   
    «Denn wo viel Weisheit ist, da ist viel Grämens, und wer viel lernt, der muss viel leiden.»
     Vor dieser Satz würden satte Bürger wohl heute noch erschrecken.
     Lernen kann nur ein Ziel haben, das Leben ganz bewusst zu leben, bewusst in einer Gesellschaft zu leben und diese Gesellschaft so zu gestallten, dass sie in der Gesamtheit und nicht einzelnen dient.
     Es geht deshalb nicht darum, sich darüber zu straiten, welches politische System im Augenblick das beste sei, sondern darum, welches System die Möglichkeit hat, besser zu warden.
     Es wird jenes System sein, dem es gelingt, eine bewusste Gesellschaft zu bilden. Ich glaube, dass die Demokratie diese Möglichkeit hat, aber ein politisches System kann nichts sein, es kann nur etwas werden, etwas bewirken.”

Peter Bichsel, Stockwerke, Stuttgart: Reclam, 1992, s. 55-56

quarta-feira, 2 de junho de 2010

Andenken



"Feigengenährt sei das Herz,
darin sich die Stunde besinnt

auf das Mandelaugen des Toten.
Feigengenährt.

Schroff, im Anhauch des Meers,
die gescheiterte

Stirne,
die Klippenschwester.

Und um dein Weisshaar vermehrt
das Vlies
der sömmernden Wolke."

Paul Celan, Sete rosas mais tarde, Lisboa: Edições Cotovia, 1993, s. 56